Philosophie

Vollgeld: Geldschöpfung - Thema oder nicht?

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Ist die Geldschöpfung durch die Banken nun ein wesentliches Problem, oder gar der zentrale “Baufehler im System“, oder nicht?  Kürzlich haben Benes und Kumhof -zwei Ökonomen vom IMF- zu einigen der schwierigsten Fragen ein spannendes Paper “The Chicago Plan Revisited[1]“ veröffentlicht und die alte Diskussion aus den 30er Jahren belebt. Auch der ehemalige Chefökonom der Deutschen Bank Thomas Mayer fordert[2] eine Veränderung des Geldsystems. Die Beiden IWF-Ökonomen plädieren in diesem lesenswerten und intensiv diskutierten Paper[3], für eine grundsätzliche Systemänderung hin zum “100%-Reserve-System“, aber dazu später. Der folgende Artikel hat drei Teile:

  1. Zusammenfassung zum Mechanismus der Geldschöpfung - Grundlage
  2. Eine kurze Übersicht zu den beiden Lösungsalternativen
  3. Übersicht zu den Argumenten

Im Anschluss würden sich Diskussionen zu den einzelnen Argumenten (stimmig oder nicht) und den potentiellen Auswirkungen einer Änderung auf die Menschen und den Bankenmarkt anbieten. Spannend wäre auch eine grundlegende Diskussion zur Frage, ob es sich hier um ein verkürtzte buchhalterische Diskussion aus der Perspektive der Bankbilanz handelt oder ob es sich auch um ein real ökonomisches Phänomen handelt. Der Artikel ist umfangreicher wie geplant, aber das Thema ist komplex und wir sollten daher auch die Diskussion in einzelne Punkte zerlegen.

A. Was ist Giralgeldschöpfung[4]? Geldschöpfung = Schaffung von Geld und das geschieht entweder durch die Zentralbanken (1) oder durch die Geschäftsbanken (2). Eine schrittweisere und genaue Erklärung findet sich in der Broschüre der Deutschen Bundesbank[5] auf deren Grundlage auch diese Zusammenfassung entstanden ist.

  1. Die Zentralbankgeldschöpfung ist simpel. Nur die Zentralbanken können Banknoten und Münzen in Umlauf bringen. Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten. (a) Die Geschäftsbank nimmt bei der Zentralbank einen Kredit auf und bekommt dafür Bargeld Die Kreditgewährung entspricht der Buchung einer Sichteinlage (Verbindlichkeit, Passiv) bei der Bank und einem Cash-Eingang auf der Aktivseite der Bank. Die Zentralbank bucht eine Forderung und eine Sichteinlage[6]. Die Abholung des Bargelds durch die Geschäftsbank reduziert die Sichteinlage der Geschäftsbank bei der Zentralbank. (b) Die Zentralbank kann einer Bank auch Vermögenswerte abkaufen um diesen zu Bargeld zu verhelfen. Der Gewinn der Zentralbanken entsteht nicht durch das Drucken des Geldes sondern durch die Zinsen auf die vergebenen Kredite und die Margen bei Vermögensankäufen.
  2. Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken. Die Geldschöpfung der Geschäftsbanken funktioniert analog. (a) Bei einer Kreditgewährung an einen Kunden verbucht die Bank den Kredit als Forderung und gleichzeitig eine Sichteinlage in der gleichen Höhe. Durch die Auszahlung des Kredits vermindert sich die Sichteinlage. Aber da das Geld wieder bei irgendeiner Bank auf dem Konto landet, kann hier vereinfacht das Beispiel von nur einer Bank im System genommen werden. Dann entsteht bei der Auszahlung des Kreditbetrags nur eine Umbuchung auf die Sichteinlage eines anderen Kunden. Die Einlage entsteht (buchhalterisch) makroökonomisch durch die Kreditvergabe, sowei ist das Argument der Kritiker des jetztigen Systems war. Später würde ich aber noch gerne diskutieren, ob das nicht zu kurz gegriffen ist. Entsteht die Einlage und der Kredit nicht, weil zuerst realwirtschaftlich ein Gut produziert wird und die Transaktion buchhalterisch abgebildet wird? (b) Bei der zweiten Option zur Geldschöpfung, dem Kauf eines Vermögens durch den Kunden laufen die Buchungen wie bei der Zentralbank (1,b). In beiden Fällen entsteht eine Bilanzverlängerung. Gesteuert wird die Menge der Geldschöpfung durch die Banken mittels der Mindestreserve und die Eigenkapitalbestimmungen (Basel II).Die Mindestreserve wird für jede Geschäftsbank aus der Höhe bestimmter Sicht-, Termin- und Spareinlagen, die Nichtbanken bei ihr auf Konten unterhalten. Bei drei Prozent, sind das bei Einlagen von 10 Millionen Euro, 300 TSD. EUR – und zwar in Zentralbankgeld. Um das Zentralbankgeld zu erhalten sind die Geschäftsbanken auf Kredite der Zentralbank oder verkaufbare Vermögenswerte angewiesen. Diese Kredite gibt es nur über Sicherheiten. Gesteuert wird als über die Mindestreserve und die Definition der erlaubten Sicherheiten. Zusätzlich gelten die “Basler Regelungen“, die das Kreditvolumen vom Eigenkapital abhängig machen.

B. In der Diskussion um mögliche Alternativen wird grob zwischen zwei Alternativen unterschieden. (1) Vollgeld oder (2) 100%-Reserve-System. Unter dem Sammelbegriff “100% Reserve System“ finden sich einige Ausgestaltungsoptionen, wie der Chicago Plan (1930er), bei denen es letztlich darum geht, dass die Mindestreserve auf 100% der Einlagen angehoben wird und somit das Geldschöpfungs-monopol beim Staat liegt. Auf der Kreditseite und die Rolle der Banken sowie deren Refinanzierungs-möglichkeiten gab und gibt es verschiedenen Optionen, die für die wirkliche Ausgestaltung essentiell sind, aber den Rahmen des ersten Artikels dazu sprengen würden. Auch die spannende und im Kern wesentlichste Frage der Transformation-(möglichkeit) in ein neues System lasse ich aus. Die zweite diskutierte Alternative ist das “Vollgeld“. Beim Vollgeld werden nicht zwei verschiedene Geldkreisläufe (Zentralbank-Bank und Bank-Kunden) geschaffen, sondern die Sichteinlagen werden von den Banken direkt zur Zentralbank verschoben und die Termineinlagen werden illiquide nicht transferierbare Schulden der Banken. Alle Zahlungen werden ausschließlich mittels Zentralbankgeld durchgeführt. Viele Details zu den weiteren Unterschieden finden sich bei Andrew Jackson[7].

C. Die Argumente gegen das bestehende System oder für eine der Alternativen lassen folgendermaßen zusammenfassen.

  1. Verstärkt die Wirtschafszyklen. In Boom Zeiten wird mehr Kredit vergeben und bei rückläufiger Konjunktur weniger. Dieser Effekt wird verstärkt, wenn die Banken in Aufwärtszyklen Ihre eigenen Kreditmittel schaffen können.[8]
  2. Stabilität im Bankensektor[9]. Die Möglichkeit von Bankenruns und die notwendige Einlagensicherung sind nur ein Thema bzw. Notwendigkeit, weil eben nicht jede Einlage 1:1 durch Zentralbankgeld abgesichert ist.
  3. Niedrige Verschuldung wäre möglich (Lösung der Staatsschuldenkrise) [10]
  4. Die Staaten machen sich bei der Finanzierung das Leben unnötig schwer. (a) In einem 100% Reserve System, müssten die Banken für Ihre Kredite Reserven erwerben und das Nettovermögen der Staaten würde steigen (Reserven sind eine Equity Position des Staats). (b) Aus den Gewinnen des Staats könnten die Schulden des Privatsektors gesenkt werden.
  5. Inflationsverursachend[11]: Bei einer Trennung der Geld und der Kreditfunktion könnte die wachstumsorientiere Inflation durch die Nationalbank auf 0% ausgesteuert werden. Die Geldmenge könnte direkt gesteuert werden, da es keine Abhängigkeit der Geldpolitik von der Kreditvergabe gibt und negativ Zinsen leicht implementierbar sind.
  6. Höheres Kreditvolumen. Aus dem Anreiz und der Möglichkeit mehr Kredite zu vergeben entstehen mehr Kredite und dadurch: (a) Instabilität im System (höherer Leverage) und  (b) Mehr Zinszahlungen für Alle und das führt zu Umverteilungseffekten zu den Reichsten und  (c) Wachstumszwang mit den Folgen für die Umwelt etc..
  7. Wettbewerbsverzerrung.  (a) Da die Banken einen “leichten“ Gewinn durch die Geldschöpfung machen können. (b) Da es zu Wettbewerbsvorteilen gegenüber Nichtbanken beim Kauf von Aktiva kommt. (z.B. Immobilien)[12]

 

So, dass war jetzt der Versuch das umfangreiche Thema auf zwei Seiten so zusammenzufassen, damit der Raum für die Diskussion aufgespannt wird. Bin gespannt. Die Diskussion der grundsätzlichen Frage, ob diese buchhalterische Perspektive die Relevante ist, der Vor-und Nachteile (stimmig) oder die möglichen Auswirkungen auf das Bankenwesen würde sich anbieten. Es schwingt letztlich auch die Frage mit, ob hier eine reine Staatslösung einer Marktlösung vorzuziehen ist. Mich würde auch interessieren, ob sich einige der Probleme nicht mit einer einfacheren Lösung in den Griff bekommen lassen.

 


[1]Jaromir Benes and Michael Kumhof, The Chicago Plan Revisited .Febr.11/2013, IWF Working Paper: www.imf.org/external/pubs/ft/wp/.../wp12202.pdf

[2]Thomas Mayer, 24. Juni 2013, Banish Fractional Reserve Banking for a real reform, Financial Times

[3]http://www.handelsblatt.com/politik/oekonomie/nachrichten/vollgeld-iwf-forscher-spielen-radikale-bankreform-durch/7008170.html

[4]Häufig spricht man auch von Buchgeld, weil es nur in den Büchern der Banken erscheint. Im Unterschied zu Banknoten und Münzen ist das Buchgeld kein gesetzliches Zahlungsmittel. Dennoch wird es im Wirtschaftsleben allgemein akzeptiert. Dies beruht insbesondere darauf, dass das Buchgeld jederzeit wieder in Bargeld umgewandelt werden kann. Umkehrt wird Bargeld zu Buchgeld, wenn es auf ein Konto eingezahlt wird

[5]Http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Service/Schule_und_Bildung/geld_und_geldpolitik_kapitel_3.pdf?__blob=publicationFile

[6]Die Sichteinlagen der Geschäftsbanken auf den Konten bei der Zentralbank sind gemeinsam mit dem Bargeld das Zentralbankgeld.

[7]https://sovereignmoney.squarespace.com/s/The-Chicago-Plan-versus-PM-Proposals-2013.pdf

[8]Siehe IMF Seite 53 ff.

[9]Siehe IMF Seite 5

[10]Siehe IMF Seite 6

[11]Siehe IMF Seite 8

[12]http://www.monetative.de/aktuelles/2013/6/8/das-eigengeschft-der-banken-verstt-wegen-des-giralgeldschpfungsmonopols-der-banken-gegen-die-regeln-des-freien-wettbewerbes-und-den-gleichheitsgrundsatz-der-verfassung